Die Bürde mit dem Erbe

GABI THIEME ÜBER SACHSENS HALTUNG ZUM UNESCO-PROJEKT

Längst wird nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt, dass Sachsens Regierung offenbar unter einem Brückensyndrom leidet - und zwar dem der Waldschlößchenbrücke. Seit sie gebaut wird, darf sich das Elbtal nicht mehr mit dem Unesco-Welterbetitel schmücken, und das hat man in Dresden offenbar bis heute nicht verdaut. Dabei strömen Touristen aus aller Welt nach wie vor in Scharen in die Landeshauptstadt. Der Titelverlust hat zu keinem Imageverlust für die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten geführt.

Seit 1998 will nun das Erzgebirge als Kulturlandschaft den Sprung in die Welt-Hit-Liste schaffen. Die Hürden sind hoch, der Weg ist lang und beschwerlich. 2014 wird sich entscheiden, ob sich die Mühen gelohnt haben. Lange war das Vorhaben auch im Erzgebirge umstritten. Viele hatten Angst, dass der Schutzstatus die wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung der ohnehin benachteiligten Region bremsen könnte. In all den Kommunen, mit denen bereits bis ins Detail besprochen wurde, welche Objekte einbezogen werden sollen und dass es nicht darum geht, ganze Landstriche abzuriegeln, konnten die Zweifel aus dem Weg geräumt werden. Mehr noch: Von der jüngsten Bürgermeisterkonferenz in Freiberg ging das klare Bekenntnis aus, dass man mit allen Mitteln um den Welterbetitel kämpfen will und trotz klammer Kassen das Geld dafür aufbringen wird. So geeint erlebt man die Region selten. Selbst kleine Orte wie Zschorlau oder Augustusburg haben sich dazu bekannt, mit Verantwortung zu übernehmen.

Nur Sachsens Regierung drückt sich weiterhin davor. Sie will sich offenbar nicht noch einmal blamieren, wenn es mit dem Welterbetitel nicht klappt. Denn eine Garantie, dass die Kommission 2014 in Paris zustimmt, gibt es nicht. Und sie wird gerade in Sachsen besonders genau hinschauen.

Die Haltung der Landesregierung ist ein Armutszeugnis. Sie lässt die Kommunen und Projektverantwortlichen allein werkeln, stellt Forderungen und Bedingungen, praktiziert eine Art Salamitaktik, ohne sich selbst aktiv einzubringen. Die Beteiligten auf tschechischer Seite warten seit Langem auf eine Einladung nach Dresden. Doch das Innenministerium ziert sich - wohl aus Angst, sich in der Sache zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit sieht anders aus.

gabi.thieme@freiepresse.de Quelle: Freie Presse, Ausgabe Annaberger Zeitung, 29.04.2011