Goldrausch-Stimmung im Erzgebirge

Deutschland steht vor einer Wiederbelebung des Erzbergbaus

Gut 800 Jahre bestimmte der Bergbau das Leben im Erzgebirge. Die ersten Silberfunde Ende des 12. Jahrhunderts lösten das sogenannte "Berggeschrey" aus – vergleichbar mit dem Goldrausch in Amerika. Bergleute, Handwerker und Händler kamen in Scharen mit ihren Familien in die bis dahin verlassene Region. Zentrum des Silberbergbaus war Freiberg in Sachsen. Die Suche nach Erz dehnte sich aber schon bald über das gesamte Erzgebirge aus - und lockte immer mehr Menschen an. Schon Ende des 15. Jahrhunderts war das Erzgebirge flächendeckend besiedelt. Mächtige Bergstädte wie Annaberg, Schneeberg oder Marienberg entstanden. Der Abbau beschränkte sich nicht mehr auf Silber; auch Zinn, Zink und Kupfer wurden gefördert.

Die Bergbau-Blütezeit reichte bis ins 20. Jahrhundert. In den 1950er- und 1960er-Jahren war es vor allem die Uranerzförderung, die bis zu hunderttausend Bergmännern Arbeit gab. Die DDR war damals der größte Uranproduzent der Welt.

Die Wende in der DDR brachte das Ende des Erzabbaus

In den 1970er- und 1980er-Jahren sanken die Weltmarktpreise für Kupfer, Wolfram, Zinn und Zink extrem. Und mit dem Ende des Kalten Krieges ging auch der Uran-Bedarf rapide zurück. Mit dem Niedergang der DDR begann dann das große Zechensterben. Die Bergmänner verloren ihre Jobs. Mit der Schließung des Zinnwerks in Altenberg, war 1991 Schluss mit dem Erzabbau im Erzgebirge. Übrig geblieben sind ausschließlich sogenannte Bergsicherungsbetriebe, die sich heute darum kümmern, alte Gruben und Schächte gegen Einsturz zu sichern. Wie sehr der Bergbau die Region und die Menschen prägte, zeigen unzählige Schaubergwerke, Denkmäler und nicht zuletzt die traditionellen Bergparaden, in denen die Menschen an das erinnern, was die Gegend einst reich machte.

Das neue Berggeschrei

Nur knapp 20 Jahre später könnte es wieder losgehen. In die Höhe schnellende Rohstoffpreise rücken die - noch reichlich vorhandenen - Bodenschätze im Erzgebirge und in der Lausitz wieder ins Interesse der Produzenten. Ein großer Vorteil für die Unternehmen: Kaum ein anderes Land hat seine Bodenschätze so genau erkundet wie die DDR. In den Archiven der Landesämter für Geologie finden sich genaue Aufzeichnungen über Ort und Menge der Lagerstätten. Im Fokus der Produzenten: Zink, Zinn, Wolfram, Kupfer, Fluss- und Schwerspat – aber auch auf dem Weltmarkt heiß umkämpfte seltene Metalle wie Molybdän, Lithium oder Indium.

Hoffnung auf Arbeitsplätze

Konkrete Projekte entstehen beispielsweise in der Gemeinde Niederschlag, nahe der tschechischen Grenze. In einem Stollen, in dem die DDR einst Uran förderte, sollen schon in einigen Monaten Fluss- und Schwerspat gewonnen werden. Ein Rohstoff, der in der chemischen Industrie in großen Mengen gebraucht wird (beispielsweise zur Herstellung von Teflon oder Gore-Tex-Membranen). In der EU ist Fluss-Spat so knapp, dass der Bedarf nur zu zehn Prozent aus eigenen Vorkommen gedeckt werden kann. Das wirkt sich auch auf den Preis aus, der innerhalb weniger Jahre von 100 auf 350 Euro stieg.

Der vermutlich wertvollste Schatz liegt in der Grenzregion zwischen Brandenburg, Sachsen und Polen. Bis 1500 Meter tief im dortigen Boden vermuten Experten eines der größten unerschlossenen Kupfervorkommen Europas. Geschätzte 1,5 Millionen Tonnen Kupfer mit einem Wert von rund zehn Milliarden Euro. Im brandenburgischen Spremberg laufen schon die Erkundungsbohrungen. Sollten sich die Schätzungen bestätigen, wird in bereits fünf Jahren der Kupfer-Abbau beginnen. In Polen, nur wenige Kilometer östlich des deutschen Vorkommens, wird der Kupfergürtel schon seit Jahren abgebaut. Dort gibt der Kupferbergbau vielen Tausend Menschen Arbeit. Die Menschen in dieser strukturschwachen Region hoffen, dass der Bergbau ihnen wieder eine Zukunftsperspektive bieten kann.

Neue Chancen für traditionellen Beruf

Um für den erhofften Neubeginn gerüstet zu sein, hat das Land Sachsen einen schon totgeglaubten Ausbildungsberuf wieder eingeführt. Nach knapp drei Jahrzehnten lernen seit 2005 wieder junge Menschen den Beruf des Berg- und Maschinenmanns. Wenn der Bergbau im Erzgebirge seine Renaissance erlebt, sollen möglichst viele Arbeitskräfte aus der Region kommen. Experten schätzen, dass in den nächsten zehn Jahren einige Tausend neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Quelle: WDR Fernsehen, Sendung vom 08. Februar 2011