Tiere und Pflanzen folgen den Bergleuten

Nicht nur Häuser und Stollen können Teil der Montanregion Erzgebirge werden. "Freie Presse" stellt weitere Facetten vor.

VON GUNTER NIEHUS

SCHNEEBERG - Hätte es den Bergbau nicht gegeben, Wasserratten und Sonnenanbeter rund um Schneeberg müssten im Sommer auf ihren Lieblingsplatz verzichten: den Filzteich. Von 1483 bis 1485 wurde die älteste Talsperre Sachsens errichtet, um mit dem Wasser Pochwerke und Erzwäschen anzutreiben. Im Laufe der Jahrhunderte siedelten sich Tiere und Pflanzen an. Ein völlig neuer Lebensraum entstand - den es ohne den Bergbau nie gegeben hätte. "Aus diesem Grund soll der Filzteich Teil des Projekts Montanregion Welterbe werden", sagt Projektmitarbeiter Jens Kugler. "Und zwar in der Kategorie ,Flora und Fauna, Bio- und Geotope'".

Mit der Entstehung und Umwandlung der Bergbaulandschaften der Montanregion Erzgebirge hat sich über die einzelnen Bergbauepochen hinweg eine mannigfaltige und teilweise unverwechselbare Fauna und Flora herausgebildet. Die Halden, Kunstteiche, Stolln und Gräben beherbergen eine Vielzahl seltener Tier- und Pflanzenarten, die in den vorhandenen Lebensräumen ideale Bedingungen vorfinden.

Zum Beispiel das Scheidenblütgras. Die Pflanze wächst auf zeitweise trockenfallenden Schlammböden. "Deshalb hat sie sich vor allem an den Bergwerksteichen entwickelt, die immer wieder abgelassen und wieder gefüllt wurden", so Jens Kugler. Er kennt weitere Beispiele. "Es gibt Pflanzen, die nur dort gut gedeihen, wo der Boden Schwermetalle enthält." Für diese Lebewesen sind die Abraumhalden im Erzgebirge ein gefundenes Fressen.

Für Orchideen wäre dieser Lebensraum wohl eher nichts. Dafür tummeln sich diese schönen Blumen mit Vorliebe auf den kalkigen Böden des Steinbruchs Lengefeld. Fledermäuse wiederum flattern im Thelersberger Stolln bei Brand Erbisdorf.

Das Paradebeispiel für Alleinstellungsmerkmale ist jedoch der Scheibenberg. Neben seiner landschaftsprägenden Form ist der Tafelberg vor allem aufgrund seiner gefächerten Basaltsäulen, den sogenannten "Orgelpfeifen", bekannt.

"Es kommen Besucher aus ganz Deutschland, um sich diese geologische Besonderheit anzuschauen", betont Jens Kugler. Denn die Säulen waren Brennpunkt eines Wissenschaftsstreits, der die europäische Forscherwelt spaltete. Abraham Gottlob Werner, Lehrer an der Bergakademie Freiberg, fand unter den Basaltsäulen Sedimente. Demnach, so seine Schlussfolgerung, müssten auch der Basalt und alle anderen Gesteine im Meer entstanden sein. Diese Theorie wurde Neptunismus genannt. Demgegenüber standen die Plutonisten, die statt dessen an die Entstehung durch Vulkane glaubten. Letztere Idee setzte sich letztendlich durch. Quelle: Freie Presse, Ausgabe Schwarzenberger Zeitung, 09.02.2012