​Arena der erzgebirgischen Berufswelt:

Oberschüler testen Ausbildungsberufe mit eigenen Händen aus.
 Annaberg-Buchholz. Von der erhöhten Bühne aus betrachtet, glich der Saal der Festhalle am Dienstag einem Gewerbe- und Dienstleistungsgebiet „en miniature“ oder eben einer Arena der erzgebirgischen Berufswelt.  Die Rolle der anpackenden Handwerker und angehenden Fachkräfte in den Firmen übernahmen dabei Oberschüler der achten und neunten Klassen aus Annaberg-Buchholz, Jöhstadt, Scheibenberg und Chomutov. Sie löteten Leiterplatten bei der Turck Beierfeld GmbH, während nebenan beim Crottendorfer Tischlerhandwerk Holzteile angefast wurden. Gegenüber maßen währenddessen die jungen Leute bei der WPA Gemeinnützige Wohn- u. Pflegezentrum Annaberg-Buchholz GmbH Blutdruck, bevor die nächste Station mit dem Biegen von Stanzteilen bei Purkart Systemkomponenten GmbH & Co. KG wartete. 

Als eine Mischung aus Speeddating und Minipraktikum gestaltete sich unter dem Titel „Berufe im Test“ dieser völlig andere Schultag für die Oberschüler. Zwölf regionale Firmen luden in Form von einzelnen Stationen ein, sich binnen zehn Minuten direkt vor Ort praktisch auszuprobieren. Hauptsächlich Personalverantwortliche, Ausbilder und Auszubildende aus den Unternehmen betreuten die Tische, an denen Arbeitsplätze für bis zu sieben Schüler eingerichtet waren. An den Plätzen warteten auf die Schüler Aufgaben, die eben typisch für das jeweilige Berufsbild sind vom Schaltkreis bauen über Hefezöpfe flechten und Bauteile auf Genauigkeit überprüfen bis hin zum Glätten von Haaren am geduldigen Frisierkopf. Das Besondere daran: Alle Schüler durchliefen alle Stationen mithilfe eines Laufzettels in festgelegten Gruppen. Das hieß nicht nur zwölf mal zehn Minuten mit absoluter Konzentration durchzuhalten sondern auch Dinge zu tun, die eventuell den persönlichen Interessen gar nicht entsprechen.

„Diese neue Veranstaltung soll eine Lücke schließen zwischen den etablierten Veranstaltungen wie Ausbildungsmesse und Woche der offenen Unternehmen. Während bei den beiden vor allem Informationen vermittelt und viele Fragen beantwortet werden, steht hier die reine Praxis im Vordergrund. Und dabei sollen bewusst alle Schüler alle Berufe ausprobieren, auch welche, die gar nicht auf der persönlichen Wunschliste stehen. Nur mit Dingen, die man mit eigenen Händen erlebt hat, kann tatsächlich ein Berufsbild verstanden werden“, erklärte Kerstin Hillig, Geschäftsbereichsleiterin Berufs- und Studienorientierung der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH. Isabel Herzog, Schulsozialarbeiterin und Ansprechpartnerin für Berufsorientierung für die Oberschule der Evangelischen Schulgemeinschaft Erzgebirge sah das ähnlich: „Ich finde es gut, dass Schüler hier selbst Hand anlegen können. Wir, die Schüler und ich, konnten uns anfangs gar nicht vorstellen, wie die Aktion funktionieren soll, waren aber alle neugierig. Jetzt sehe ich meine Schüler sehr aktiv und konzentriert. Und ganz klar, erst nachdem man Dinge selbst ausprobiert hat, kann man doch sagen: Es ist meins – oder auch nicht.“

Für die meisten Unternehmer sind Veranstaltungen zur Berufsorientierung immer ein absoluter Gewinn. So auch für Daniel Voß, Ausbildungsbeauftragter der Ahorn Hotels in Kurort Oberwiesenthal, der mit viel Geduld, wie alle anderen Firmenmitarbeiter im Saal,  24 mal zehn Minuten lang seine Station betreute und den Serviettenschwan bei allen Schülern zum Stehen brachte: „Die Aktion ist mal etwas völlig anderes und bietet einen großen Mehrwert für uns. Ich bewerbe nicht nur meine eigenen Häuser sondern stehe ja stellvertretend für die ganze Gastronomie- und Hotelleriebranche hier. Wir planen unser Personal sehr langfristig, haben aktuell 40 Auszubildende im Unternehmen. Und ich bin überrascht, wie motiviert die Schüler bei der Sachs sind.“ Konzentriert und punktgenau arbeitete auch Johanna Maria Meyer mit Lötkolben an der Leiterplatte. „Ich möchte gerne mal einen technischen Beruf ergreifen. Auf der Ausbildungsmesse war ich schon, aber hier lernt man die Berufe noch einmal anders kennen und schätzen und sieht, was an eigentlicher Arbeit hinter manchen komplizierten Berufsbezeichnungen dahintersteckt.“ Und ist das Interesse erst einmal geweckt, kann man sich mit einem freiwilligen Praktikum noch genauer mit einem Berufsbild beschäftigen oder aber die Unternehmen bei der nächsten Woche der offenen Unternehmen im März 2019 besser kennenlernen.

Hintergund:
„Berufe im Test“ ist eine Veranstaltung innerhalb des Projektes LABORA - Länderübergreifende Aktivitäten für Berufsorientierung und Ausbildung. Das Projekt startete im Oktober vergangenen Jahres und soll der wirtschaftlichen Stärkung der Grenzregion dienen im Hinblick auf die langfristige Sicherung des Fachkräftebedarfs in den Schlüsselbranchen des sächsischen und tschechischen Erzgebirges. Gemeinsam mit dem Projektpartner Okresní hospodářská komora v Chomutově (OHK) bietet die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH (WFE) als Leadpartner verschiedene Projektaktivitäten an, welche den Jugendlichen vor allem praxisnah die positiven beruflichen Chancen der Region vermitteln sollen.