​Es wäre schön, wenn er bleibt. Vom Ferienpraktikum zum Berufswunsch

Beim Zuschnitt die große Holzplatte halten, Kanten abschleifen, die Fläche von Spänen befreien und vor allem: mit den Augen lernen. So sahen die Tage der letzten Ferienwoche von Bruno Friedrich aus. Der Scheibenberger Oberschüler absolvierte ein freiwilliges Praktikum in der Tischlerei Baumann, nicht weit von seinem Wohnhaus entfernt. Den Praktikumsplatz organisierte sich der 15jährige selbst — den rechtlichen Rahmen lieferte die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH (WFE GmbH). In den Herbstferien wird es ein weiteres Praktikumsangebot geben.

Bruno Friedrich steht nicht zum ersten Mal neben dem Tischler Markus Baumann an der Werkbank. Bereits vor zwei Jahren entschloss er sich zu seinem Schulpraktikum für den Handwerksbetrieb. Und das aus gutem Grund, denn schon als Sechsjähriger bereitete ihm das Basteln mit dem Werkstoff der Natur viel Freude. Das erste Praktikum lief gut. Um sich seines Berufswunsches sicher zu werden, brauchte es aber ein zweites Schnuppern im Beruf. Das dafür vorgesehene Schulpraktikum fiel coronabedingt aus. „Solch ein einwöchiges Praktikum liefert eine gute Basis für Entscheidungen zu Ausbildung und Beruf. Einziges Hemmnis ist oftmals der Versicherungsschutz, den die Schulen in der Ferienzeit nicht übernehmen können. Innerhalb der Unterrichtszeit ist für viele Schulen die Organisation eines zusätzlichen Praktikums aktuell schwer möglich. Daher bietet die WFE GmbH für Schüler im Erzgebirgskreis ab dem vollendeten 15. Lebensjahr die Möglichkeit zum freiwilligen Ferienpraktikum, um sich auszutesten. Die Wirtschaftsförderung organisiert dabei den Versicherungsschutz “, erklärt Matthias Lißke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH, die Hintergründe.

In den Ferien zum freiwilligen Praktikum? – wird mancher Jugendliche sich fragen. Bruno ist sich heute sehr sicher, dass er Tischler werden möchte. Zu 98 Prozent, wie er selbst schmunzelnd sagt. Die Sicherheit dazu liefert ihm nur das Praktikum, durch das er im Betrieb die Abläufe kennenlernt und sich ausprobieren darf. Selbst eine Montagefahrt nach Dresden auf eine Baustelle eines Einfamilienhauses ist in der Woche dabei.

Markus Baumann und Bruno Friedrich sind schon heute ein gutes Team. „Ich kann mir gut vorstellen, Bruno auszubilden. Es ist sehr schwer, im Handwerk gute, engagierte junge Leute zu finden“, weiß der Sohn vom Noch-Inhaber Frieder Baumann. Am Ende des Jahres, wenn Markus Baumann den Meisterbrief in der Hand hält, wird er den Familienbetrieb in fünfter Generation übernehmen. Im Jahr 1900 gegründet, wurde über die Jahrzehnte immer wieder angebaut, in Maschinen investiert und sich auf neue Holzvarianten eingestellt. Für einen Zwei-Mann-Betrieb ist das nicht immer ein leichtes Unterfangen. Zum Kerngeschäft gehören der komplette Möbelbau vom Badmöbel bis zum individuellen Bett sowie der Innen- uns Außenausbau von Fassadenverkleidung bis hin zur Poolumrandung. „Für einen kleinen Betrieb wie uns ist es herausfordernd auszubilden. Umso wichtiger ist es, dass der Lehrling zu uns passt, um ihn von vornherein richtig einzubinden. Beim Praktikum sehe ich, ob jemand Talent hat oder nicht. Und bei Bruno sage ich: Es wäre schön, wenn er bei uns bleibt“, so der Tischler.

Um Jugendlichen in der Pandemiezeit dennoch das Schnuppern in Berufen zu ermöglichen, startete das Kultusministerium die „Offensive Ferienpraktika“ für die Sommer- und Herbstferien, in dem es maximal 30 Euro Fahrtkostenzuschuss pro Praktika gibt. Langfristig plant die WFE GmbH, die Ferienpraktika dauerhaft zu ermöglichen. Der Praktikumsvertrag wird zwischen Unternehmen, Schüler bzw. Erziehungsberechtigten sowie der WFE GmbH geschlossen. Unterstützung zur Praktikumswahl leisten die Praxisberater an den Oberschulen.

Nächste Termine aus dem Kalender zur Berufsorientierung im Erzgebirgskreis:

25.09.2021 Ausbildungsmesse Erzgebirge in Annaberg-Buchholz

02.10.2021 Ausbildungsmesse Erzgebirge in Aue-Bad-Schlema