EU-Kommission: Streit um Flüchtlingsquote vor Gericht

Wegen mangelnder Solidarität in der Flüchtlingskrise verklagt die EU-Kommission Tschechien, Ungarn und Polen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Ziel sei es, die drei Länder doch noch dazu zu bringen, sich an der 2015 beschlossenen Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien zu beteiligen, erklärte die Brüsseler Behörde gestern. Der EuGH könnte dazu Zwangsgelder verhängen. Vizekommissionspräsident Frans Timmermans forderte zudem alle EU-Staaten auf, sich bis Juni kommenden Jahres auf eine Reform des europäischen Asylsystems zu verständigen. Diese soll unter anderem dauerhaft regeln, wie künftig im Fall einer Flüchtlingskrise besonders stark betroffene Staaten entlastet werden.

Eine Lösung könnte laut Timmermans darin bestehen, ein Konzept zu beschließen, das in schweren Krisensituationen eine Umverteilung inklusive Aufnahmepflicht vorsieht. In weniger problematischen Situationen würde eine Umverteilung aufgrund freiwilliger Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten erfolgen, bei einem nur sehr geringen Zustrom gar keine. Ein entsprechendes Drei-Phasen-Modell hatte jüngst auch die estnische EU-Ratspräsidentschaft präsentiert.

Das neue System würde eine weitreichende Abkehr von der bislang gültigen Dublin-Verordnung darstellen. Diese sieht vor, dass jenes Land für das Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Schutzsuchender das erste Mal einen Asylantrag gestellt hat oder in dem er nachweislich EU-Boden betreten hat.

In der jüngsten Flüchtlingskrise hatte sich die Dublin-Verordnung allerdings als nicht praktikabel erwiesen, weil Länder wie Griechenland den Massenzustrom nicht stemmen konnten und Migranten weiter in andere EU-Länder wie Deutschland weiterziehen konnten. Die EU-Staaten beschlossen damals per Mehrheitsentscheidung eine Umverteilung von bis zu 120.000 Flüchtlingen aus Ländern wie Syrien. Tschechien, Ungarn und Polen weigern sich allerdings bis heute, sich daran zu beteiligen – obwohl der EuGH die Rechtmäßigkeit der Entscheidung bestätigt hat.

„Ich habe viel versucht, die drei Mitgliedsstaaten davon zu überzeugen (...), zumindest ein bisschen Solidarität zu zeigen“, sagte der EU-Kommissar für Migration Dimitris Avramopoulos zur beschlossenen Klage. Leider habe es aber bisher keine Bewegung gegeben.

In die nächste Runde geht die Auseinandersetzung um die EU-Flüchtlingspolitik vermutlich Ende der kommenden Woche beim Dezember-Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Sie wollen darüber beraten, wie Kompromisse bei den strittigen Fragen aussehen könnten. Ein Durchbruch wird allerdings nicht erwartet.

Der neue tschechische Ministerpräsident Andrej Babis zeigte beispielsweise gestern keine Bereitschaft zum Einlenken. Die Quoten seien Unsinn und würden nur extremistischen Parteien in Europa zu stärkerer Popularität verhelfen, kritisierte der Gründer der liberal-populistischen ANO-Partei. (dpa)

(Quelle: Freie Presse)