Geruchsradar verfehlt Böhmische Luft

Martina Straková hatte sich das wohl anders vorgestellt: Ende Februar war die Forscherin mit einem mobilen Geruchsradar im Erzgebirge unterwegs, um dem Böhmischen Nebel auf den Grund zu gehen. Mit dem Gerät lassen sich Abgase erkennen und einer Windrichtung zuordnen. Man kann es im Auto mitnehmen, um sich Geruchsquellen zu nähern. „Ich bin zwei Wochen durch die Gegend gefahren“, berichtet Straková. Doch ausgerechnet in diesen zwei Wochen dominierte Westwind. Zwar konnte Straková Daten sammeln. Aber die typischen Gerüche, die in der Regel bei Südostwind auftreten, wurden dabei nicht erfasst.

Martina Straková arbeitet für das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Sie ist zuständig für Messungen innerhalb der Studie Odcom – „Objektivierung der Geruchsbeschwerden im sächsisch-tschechischen Grenzgebiet“. Zusammen mit anderen Wissenschaftlern aus beiden Ländern will sie herausfinden, wie sich Industrieabgase aus Tschechien auf die Gesundheit der Menschen im Erzgebirge auswirken. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt.

Das Wetter war im Winter aus Sicht der Betroffenen vergleichsweise günstig: Nur 446 Geruchsbeschwerden gingen ein – der niedrigste Wert seit sieben Jahren. Die höchste Anzahl war im Jahr 2014 erreicht worden: Damals zählte das Landesamt 1181 Beschwerden.

Die Daten aus dem mobilen Geruchsradar werden derzeit ausgewertet. Der Termin für die Untersuchungen habe sich aus Verwaltungsgründen nicht verschieben lassen, erläutert Martina Straková. Im nächsten Winter will sie jedoch anders vorgehen. Statt zwei Wochen plant sie, das Geruchsradar bis zu vier Wochen lang zu nutzen. Messungen sollen dann auch kurzfristiger und flexibler planbar sein.

Die Quellensuche mit dem mobilen Radar ist nur eine von vielen Methoden der Studie. So haben ausgewählte Probanden im Winter Fragebögen ausgefüllt: Wann wird was, wo und wie lange gerochen? Und welche Krankheitserscheinungen gehen damit einher? Einige erhielten einen Kanister, in dem sie Luft bei besonders starken Geruchsereignissen speichern konnten. Martina Straková holte die Kanister mit dem Auto ab, um sie ins Labor liefern zu lassen. Im günstigsten Fall verstrichen nur einige Tage, ehe die Probanden einen neuen Kanister bekamen. Manchmal aber auch zwei Wochen. Nahmen die Probanden in dieser Zeit Gerüche wahr, konnten sie die Luft nicht abfüllen. 15 dieser Behälter sind bislang im Einsatz.

Bei der Analyse der Luftproben ergab sich: Die Stoffe, die von den Probanden gespeichert wurden, stammen weniger aus Industrieabgasen, sondern eher aus dem Straßenverkehr und aus verbrannter Biomasse, wie etwa Holzkohle. „Das war durchaus überraschend“, sagt Straková. Es könnte daran liegen, dass die Proben vor allem in Wohngegenden genommen wurden. Abgase aus südöstlicher Richtung spielten allerdings auch eine wichtige Rolle. Von Januar bis März nahmen die Beschwerden meist dann zu, wenn die Messstationen Schwefeldioxid und Mercaptane in auffälliger Konzentration registrierten.

Im Frühjahr diskutierten Bewohner der Region zudem in Arbeitsgruppen. Die Treffen dienten zur Vorbereitung auf eine Telefonumfrage im nächsten Winter, berichtet Martin Otto, ein Forscher der TU Dresden und Partner im Odcom-Projekt: „Damit wir nicht die falschen Fragen stellen.“ Otto will erfahren, wie sich die Gerüche zuletzt verändert haben, wie sehr Menschen der Gestank stört und welche Rolle das Thema im Alltag spielt. „Wir versuchen, alle zu erreichen“, sagt Otto.

Die Umfrage beruht auf dem sogenannten Gabler-Häder-Design: Die Anrufer legen ein Gebiet fest und damit auch die Vorwahl. Dann werden automatisch alle möglichen Ziffernfolgen angehängt. So wählen die Forscher zwar mitunter Nummern, die gar nicht existieren. Doch zugleich stellen sie sicher, dass auch Menschen angerufen werden, deren Daten nicht im Telefonbuch stehen. Ziel ist es, einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abzubilden. Auch Einwohner auf tschechischer Seite werden befragt.

Hintergrund: Die Studie "Odcom" soll Herkunft, Zusammensetzung und gesundheitliche Auswirkungen der Böhmischen Luft klären. Außer Standard-Schadstoffen wie Schwefeldioxid, Stickstoffoxiden, Ozon, Blei, Arsen oder Nickel wird auch nach organischen Substanzen sowie Bakterien und Schimmelpilzen in der Luft gesucht. Bis März 2019 sind von deutscher und tschechischer Seite Untersuchungen geplant. Die EU unterstützt das Projekt mit 1,6 Millionen Euro.

(Quelle: Freie Presse)