Grenzöffnung zwischen Bärenstein und Vejprty vor 25 Jahren

Die Grenze zu überwinden ist ein Kinderspiel. Einfach die Brücke über den kleinen Pöhlbach nehmen und schon ist man von Bärenstein nach Böhmen gelangt. Das war vor 25 Jahren noch unmöglich. Ein hoher Grenzzaun markierte die Trennlinie zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei. Zwar waren in den 1970er-Jahren die Stacheldrahtverhaue an der damaligen Staatsgrenze abgebaut worden. Aber wer nach drüben wollte, musste einen langen Umweg
über Bad Brambach oder später Oberwiesenthal nehmen. Im Juni 1991 ging dann alles ganz schnell. Zwischen Bärenstein und Vejprty (Weipert) wurde mit einem Festakt und Politprominenz von beiden Seiten die Grenze geöffnet - am Anfang nur für Fußgänger. "Schon ein Jahr vorher, am 1. Mai 1990, war die Grenze mal für einen Tag geöffnet worden", erinnert sich Bernd Schlegel, heute Bürgermeister von Bärenstein. Das sei bei den Leuten sehr gut angekommen. Im Dezember 2005 wurde der Übergang dann für den Autoverkehr geöffnet. Schlegel kann sich
noch gut an die schlimmen Befürchtungen bei einigen Bärensteinern erinnern. Von kilometerlangen Staus, von Kaufkraftverlust, Verkehrslärm und einer nicht mehr beherrschbaren Kriminalität war da die Rede.

Inzwischen sind die Bedenkenträger verstummt. Bei der Bilanz 25 Jahre Grenzöffnung überwiegen Schlegel ganz klar die Vorteile: "Wir haben schon in den frühen 90-ern eine Abwasser-Partnerschaft gegründet. Seither wird das Bärensteiner Abwasser in der
Kläranlage von Weipert gereinigt. Das hat für beide Seiten Vorteile. Die Tschechen nutzen die ganze Kapazität und wir haben günstige Abwasserpreise." Aber auch auf bei der Bildung, der Feuerwehr und Polizei gibt es eine gute Zusammenarbeit mit den böhmischen Nachbarn. "Ich
glaube, in unserer gemeinsamen Geschichte waren die beiden Orte noch nie so eng zusammen wie jetzt", resümiert der Bürgermeister der sächsischen Seite. Jitka Gavdunova, die Bürgermeisterin von Weipert, sieht das genauso. Von ihrem Amtszimmer kann man bis hinüber nach Bärenstein blicken. "Wir haben das Projekt Gemeinsame Mitte mit den Bärensteinern gestemmt, tschechische Kinder gehen in sächsische Kindergärten oder deutsche Kinder besuchen unsere Musikschule." Die Grenzöffnung habe für beide Seiten eigentlich
nur Vorteile gebracht. Auch auf ganz persönlichem Gebiet, "denn mittlerweile gibt es sogar deutsch-tschechische Ehepaare". Natürlich gebe es auch Probleme. So suchten manche tschechische Kriminelle ihre Opfer auch jenseits der Grenze oder Deutsche tanken und fahren davon, ohne zu bezahlen. Aber so etwas seien eher kleine Delikte, die man nicht verhindern könne.

Für Wladka Kadlecova fällt die Bilanz 25 Jahre offene Grenze gemischt aus. Sie betreibt ein kleines Café am Marktplatz in Weipert.Außer ein paar Kindern, die sich auf ihren Fahrrädern jagen, ist der große Platz verwaist. Die meisten Läden sind geschlossen, viele schon seit Jahren. "Ich nenne den Platz nicht Marktplatz, sondern Toten-Platz", sagt die Endvierzigerin resigniert und rührt in ihrem Kaffee. Dass hier in naher Zukunft wieder Leben einzieht, glaubt sie nicht. Als die Grenze nur für Fußgänger geöffnet war, gab es noch Leben in der Weipert. "Jetzt fahren die Autos an unserer Stadt vorbei. Die Ziele heißen Karlovy Vary oder Chomutov." Viele Leute seien in den letzten Jahren weggezogen. Auch ihre beiden Söhne lebten nicht mehr hier. Aber das sei auf der anderen Seite der Grenze ja nicht anders und habe weniger mit der offenen Grenze als mit fehlenden Perspektiven in der Region zu tun. "Feste wie das 3. Sächsisch-Böhmische Bierfest am Wochenende sind schön. Wenn dann noch eine gemeinsame Perspektive für die Zukunft erarbeitet wird, ist es perfekt." (Quelle: Freie Presse)