In Deutschland wird wieder gebuddelt

Von wegen rohstoffarmes Land: Es gibt Kupfer, Zinn, Öl und Gas. Selbst seltene Erden schlummern in der Tiefe. Die alten Reviere im Erzgebirge und im Harz werden wieder mit neuer Technik wieder erkundet.

Von WINAND VON PETERSDORFF

 

Spremberg, diese Perle der Lausitz, sitzt auf einem Schatz. Zwischen 900 und 1500 Meter unter der Erdoberfläche wartet Kupfer. Der Bergingenieur Thomas Lautsch will es herausholen. Es könnte eines der spektakulärsten Bergbau-Projekte in Deutschland werden: mit einem geschätzten Investitionsvolumen von einer Milliarde Euro.

Plötzlich sind solche Investitionssummen wieder denkbar, plötzlich wird Buddeln wieder rentabel, zumindest in Planrechnungen. Seit knapp zehn Jahren klettern die Rohstoffpreise kontinuierlich nach oben, selbst nach der Finanzkrise 2008 gab es nur einen kurzen Absturz. Kupfer ist ein gutes Beispiel: In den 80er und 90er Jahren lag der Weltmarktpreis für die Tonne Kupfer bei 2000 Dollar. Jetzt erreichen die Preise 6000 und 10000 Dollar, referiert Ingenieur Lautsch.

Er leitet die Kupferschiefer Lausitz GmbH, Tochtergesellschaft einer bolivianischen Holding namens Minera. Bisher sind das in Spremberg ein gutes Dutzend Ingenieure, die noch erkunden und planen. Doch das Bergwerk bekommt schon Konturen, die Stadt baut mit Bundesmitteln Zufahrtstraßen. "Sportliches Ziel" ist es, Ende 2013, Anfang 2014 mit dem Bau des Bergwerks zu beginnen. "Das ist ein Projekt von der Dimension eines Flughafens", sagt Lautsch. Vier bis fünf Jahre dauert der Bau. Dann aber könnten bis zu 1000 Bergmänner Arbeit finden, hofft Bürgermeister Klaus-Peter Schulze. Hoffentlich verdirbt nicht die Schuldenkrise die Projektfinanzierung, sinniert der Kommunalpolitiker. Aber im Bergbau muss man ohnehin in langen Zeiträumen denken, Minera hat eine Gewinnungslizenz bis 2050.

Die alte DDR hat ihre Bodenschätze sorgfältig erkundet. Sie wollte autark sein

Überall in Deutschland machen sich jetzt Bodenschatzsucher auf: Sie suchen Gold, Silber, Buntmetalle, seltene Erden, Spat, Öl, Gas und alles, was die Geologie sonst noch hergibt. Die Bergleute von heute lernen inzwischen ein paar Vorteile des alten Bergbaulandes Deutschland kennen und lieben. Gute Wissenschaftler aus den Hochschulen Clausthal-Zellerfeld und Freiberg unterstützen die neuen Projekte, die Dienstleistungsindustrie ist noch intakt, obwohl der Bergbau als schrumpfende Branche galt. Und dann gibt es da noch das ganz besondere Erbe der DDR.

Dort war eigenständige Rohstoffversorgung Staatsdogma. Jedes kleine Vorkommen wurde exploriert, notiert und oft auch ausgebeutet mit Wirtschaftlichkeits-Kennziffern, die den westdeutschen Experten direkt nach der Wiedervereinigung geradezu abstrus vorkamen. So wurden die meisten Bergwerkbetriebe stillgelegt.

Heute sind besonders die mit deutscher Gründlichkeit geordneten Erkundungsdaten ein Schatz. "Mit begrenztem zusätzlichem Erkundungsaufwand sind recht zuverlässige Abschätzungen über die wahrscheinlichen Vorräte der Lagerstätten möglich", sagt Norbert Schächter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau. Dazu kommt, dass die DDR für die Bergbaupioniere aus Australien und Kanada ein weißer Fleck war, solange der Eiserne Vorhang noch existierte.

Zu den Ersten, die hier eine Chance witterten, gehörten Titus Gebel und Thomas Gutschlag. Sie hatten 2005 die Deutsche Rohstoff AG gegründet und ließen sich von einem Professor aus Halle an der Saale eine Liste alter deutscher Lagerstätten erstellen, aus denen noch etwas zu holen ist. Der Wissenschaftler kam auf sage und schreibe 350 Fundorte. Die junge Firma aus Heidelberg machte sich schnell daran, für die Top Ten die Lizenzen zu sichern. Heute konzentriert sich die börsennotierte AG auf Gold, Öl, Gas und wertvolle High-Tech-Metalle.

Interessant ist Zinn: Die Deutsche Rohstoff AG lässt im erzgebirgischen Geyer und in Gottesberg im Vogtland das wertvolle Metall erkunden. Die Lagerstätten umfassen etwa 180 000 Tonnen Zinn. Das ist die größte bekannte und noch nicht erschlossene Zinn-Ressource der Welt. Seltene Erden sind ein anderer Schatz, den die Firma in Storkwitz im nordöstlichen Sachsen zu heben trachtet. Das Heidelberger Unternehmen wagt solche teuren Projekte, weil sie fest an den Megatrend glaubt: Die Nachfrage nach solchen Metallen übersteigt auch langfristig das Angebot. China bleibt hungrig, so die Prognose.

Wird ein Projekt zu teuer, holt man sich Investoren, die Probebohrungen mitfinanzieren. Zur Masche der Heidelberger gehört es, das Wissen alter Bergwerkspezialisten gewinnbringend abzuschöpfen. Horst Richter, ehemaliger Generaldirektor des Uranbergbau-Betriebs Wismut, arbeitet mit seiner Ingenieurfirma für die Heidelberger, ebenso der ehemalige Chef der Preussag-Exploration und weitere Wissenschaftler und Bergwerksspezialisten aus aller Welt.

Die neuen Schatzsucher lassen sich nicht bremsen von der Tatsache, dass die Probebohrung in Deutschland etwa viermal so viel kostet wie eine vergleichbare Bohrung im Ausland, dass die Leute sich gelegentlich querstellen und dass die Politik Eingriffe in die Natur zunehmend erschwert.

Die Zuversicht gründet nicht nur auf dem robusten Preistrend für Rohstoffe. Der technische Fortschritt hilft ungemein beim Aufspüren. Ein skandinavisches Konsortium versucht gerade, im Harz unweit von Goslar einen zweiten Rammelsberg zu finden. Rammelsberg ist der legendäre Berg, der der Welt bis 1988 Unmengen an edlen Metallen lieferte. Die Skandinavier arbeiten mit einem elektromagnetischen Verfahren. Damit haben sie eine "Anomalie" im Untergrund festgestellt, die zu den schönsten Hoffnungen Anlass gibt, dass da tief unten etwas Wertvolles liegt. Sie müssen jetzt durch Probebohrungen bestätigt werden.

Selbst im uralten Bergwerk-Revier Harz wird wieder nach Edelmetallen gebohrt

Bei einem anderen Explorationsverfahren, der 3D-Seismik, werden Schallwellen in den Boden gelenkt, um am Echo den Aufbau des Untergrunds erkennen und mit Computern nachmodellieren zu können. Mit dem Verfahren bekommen viele alte Lagerstätten eine Comeback-Chance, die Deutsche Rohstoff AG sucht mit Partnern zur Zeit im Hessischen Ried bei Darmstadt nach Öl. Nachlesebergbau nennt man das: Bis 1994 war hier Öl gefördert worden. "Und es ist immer gut, da zu suchen, wo schon etwas ist", sagt Deutsche-Rohstoff-Vorstand Gutschlag. Die alten Quellen werden auch deshalb wieder attraktiv, weil man sie durch neue Techniken der Horizontalbohrung stärker ausbeuten, sprich den Entölungsgrad erhöhen kann.

Ganz neue Perspektiven bietet die Gewinnung von unkonventionellem Erdgas, vor allem Schiefergas. Das lässt sich allerdings nur schwer aus dem Gestein lösen. Bohrungen werden dafür erst vertikal, dann horizontal geführt. Mehrere Millionen Liter Wasser, angereichert mit verschiedenen Chemikalien und Sand, werden in die Bohrlöcher eingepresst. Durch den immensen Druck entstehen im Gestein kleine Risse, die sogenannten Fracs. Und durch diese Risse strömt das Erdgas aus.

Man vermutet große Vorkommen vor allem in Nordrhein-Westfalen. Energiekonzerne wie Exxon Mobil, Wintershall und BEB haben im gesamten Nordwesten des Bundeslands, von Aachen bis zum Kreis Höxter, ihre Claims für die Suche nach Erdgas abgesteckt. Erste Bürgerinitiativen bilden sich schon gegen die Probebohrungen. Denn diese technisch aufwendigen Projekte hätten eine andere Dimension als die bisherige Erdgasförderung.

Angesichts der Technisierung von Suche und Förderung wundert man sich, dass immer noch Platz für Glücksfunde bleibt. Eine Bohrung mitten in Speyer förderte 2003 Kohlenwasserstoffe zutage. Die Enttäuschung war zuerst riesig, denn die Bohrfirma war eigentlich auf heißes Wasser für Erdwärme aus gewesen. Stichwort saubere Energie.

Später stellte sich heraus, dass die Firma Palatina GeoCon ein stattliches Ölfeld angebohrt hatte, dessen Kapazität auf 50 Millionen Barrel geschätzt wird, der größte Fund in Süddeutschland überhaupt. Der Schock legte sich ziemlich schnell. Seit 2009 wird gefördert, die französische Firma Gaz de France Suez hat die Federführung übernommen. Die Stimmung ist inzwischen wieder heiter beschwingt, auch bei der Landesregierung in Mainz, die Gebühren für die Förderlizenzen kassiert.

Der Fund am Rhein entsprang reinem Zufall. Das Öl ruhte in einer Buntsandsteinschicht, wo die Experten bisher diesen Rohstoff nicht vermutet hatten. So fand die alte, angesichts der Fortschritte in der Exploration verblassende Bergmanns-Weisheit Bestätigung: "Vor der Hacke is duster". Was so ungefähr heißt: Man weiß nie genau, was beim Buddeln alles herauskommen kann. Quelle: FAZ, 05.11.2011