Sprachen bringen Dich weiter - Zwei Briten lernen Sorbisch

Für „Stern TV“ haben sie in einer Woche Türkisch gelernt. Die Herausforderung einer ZDF-Wissenschaftssendung, Plattdeutsch und Maltesisch innerhalb von sieben Tagen zu sprechen, nahmen Matthew und Michael Youlden ebenfalls an. Die britischen Zwillingsbrüder beherrschen mehr als zehn Sprachen fließend. Seit dieser Woche können die Wahlberliner von sich behaupten: „Recimy serbsce“ (Wir sprechen Sorbisch.)

Die Aufgabe, die Sprache dieser Minderheit in Deutschland zu lernen, haben Matthew und Michael Youlden vom Digitalsender „Deutschlandfunk Nova“ bekommen. Die Sprachleidenschaft begleitet die britischen Zwillinge – selbst nennen sie sich „Polyglotbros“ – seit ihrer Kindheit. Zu Hause in Manchester wurden sie mit Englisch und Gälisch groß. Wenn die Familie in den Urlaub fuhr, paukten die Söhne vorher Vokabeln. „Schließlich bietet jede neue Sprache die Möglichkeit, eine neue Kultur kennenzulernen und eine neue Sichtweise auf die Welt“, sagt Michael Youlden. Er studierte Sprachwissenschaft in England. Sein Bruder kam 2003 für sein Studium nach Deutschland. Inzwischen leben beide in Berlin.

Um den richtigen Dreh für das Obersorbische zu finden, verwandelten sie ihre Wohnung in „Klein-Oberlausitz“. „Wir sind große Freunde der Klebezettel. Viele Begriffe haben wir aufgeschrieben und an den dazugehörigen Platz geheftet“, sagt Matthew Youlden. Auf der Zuckerdose stand „cokor“, auf der Kaffeekanne „kofej“. Die Milchtüte bekam den Zettel „mloko“ und der Tisch die Aufschrift „blido“. Zu einer festen Uhrzeit jeden Tag lernten sie Grammatik und analysierten Zeitformen. Ihr Lehrmaterial: Kinderbücher, Zeitschriften, Arbeitsbücher und Romane auf Sorbisch. Als Belohnung nutzen die Youlden-Brüder beim Sprachenlernen gern Originalsendungen in Rundfunk und Fernsehen. „So kann man viel passiv und fast nebenbei aufnehmen“, sagt Matthew Youlden. Allerdings sei das Angebot auf Obersorbisch sehr klein. Neben dem täglichen Radio-Frühprogramm im MDR gibt es lediglich einmal im Monat eine halbstündige Fernsehsendung sowie zuweilen das „Sandmännchen“ auf Obersorbisch. Doch auch ohne die Hilfe populärer TV-Serien sind Matthew und Michael Youlden jeden Tag tiefer in die obersorbische Sprache eingetaucht. „Besonders beeindruckt hat uns jedoch die Begeisterung der Sorben während unserer Mission. Da gibt es Menschen, die sich jeden Tag für den Erhalt der Minderheitensprache einsetzen. Wunderbar“, sagt Matthew Youlden.

Ober- und Niedersorbisch stehen längst auf der Liste der bedrohten Sprachen. Nach offiziellen Schätzungen bilden etwa 60.000 Menschen heute das sorbische Volk in der sächsischen Oberlausitz und der brandenburgischen Niederlausitz.

Besonders im sorbischen Dreistädteeck Bautzen/Hoyerswerda/Kamenz ist das Projekt der Briten auf viel Resonanz gestoßen, sagt Jan Budar, Direktor der Stiftung für das sorbische Volk. Der Sorbe hat den „Polyglotbros“ in einer Live-Schaltung die Sorbisch-Prüfung abgenommen. „Ihre Offenheit und Selbstverständlichkeit, mit der sorbischen Sprache umzugehen, hat viele Sorben beeindruckt.“ Das Ganze sei sowohl für die Sorben selbst, „aber auch nach außen, eine Super-Marketing-Aktion“ gewesen, sagt Budar. Nach seinen Angaben gibt es noch 35.000 aktive Muttersprachler.

Doch wie steht es nun um die Sprachkenntnisse der beiden Briten? „Grandios“, sagt Budar. „Sie haben ein breites Vokabular, Small Talk ist kein Problem.“ Selbst im grammatischen System seien sie sattelfest. „Besonders fasziniert hat mich, wie originalgetreu sie gesprochen haben.“

Beim Lernen aus der Ferne soll es nicht bleiben. Die beiden Briten sind am 25. November zum jährlichen Treffen sorbischer Studierender, eingeladen. Sofern sie keine TV-Show davon abhält, wollen Matthew und Michael Youlden dabeisein. (dpa)

(Quelle: Freie Presse)